Ritter und Nazarener
Friedrich Rückert und die Mittelalterfantasien
07.04.2016 bis 31.07.2016
Julius Schnorr von Carolsfeld: Aus dem Nibelungenlied. Etzels Boten bringen die Nachricht von Rüdigers Tod nach Bechelaren, 1865, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt
Im Jubiläumsjahr Friedrich Rückerts (1788-1866) präsentiert das Museum Georg Schäfer eine prägnante Bildauswahl zu Themenkreisen, mit denen sich der Dichter bis zu seiner Rückkehr aus Italien beschäftigt hat und die er, mitunter zeitversetzt, in Versform veröffentlichte. Für diesen Ansatz der Gegenüberstellung literarisch formulierter Gedanken zu Gemälden und Zeichnungen wurde ein besonderes Gestaltungskonzept für die Ausstellungsräume entwickelt.
Ein Ziel ist es, den Betrachtern geistige Brücken von Rückerts Gedanken hin zu den Bildern zu bauen. Insbesondere sein, von dem damaligen württembergischen Kultusminister v. Wangenheim als Geniewerk gefeiertes Gedicht Bau der Welt (1814) konnte als Aufruf zur Weiterführung und Vollendung mittelalterlicher Baukunst verstanden werden. Eine solche unmittelbare Wirkung ist bei den Werken des Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872) und seines Kreises zu vermuten, wenn Schnorr, ganz im Unterschied zu den Brüdern Franz und Johannes Riepenhausen, bereits in den frühen Bildern mit Mittelalterbezug die architektonischen Strukturen betont und historisierend wiedergibt. Mit Franz Catel, Carl Philipp Fohr, Carl Georg Hasenpflug, Carl Friedrich Lessing, Ernst Ferdinand Oehme und Moritz von Schwind sind weitere Hauptmaler der deutschen Burgen- und Ritterromantik mit Werken in unserer Ausstellung vertreten.
Rückert war bereits einige Jahre zuvor Mitglied der „Tafelrunde“ in der fränkischen Bettenburg bei Hofheim geworden, wo sich die gebildete Welt zu Lesungen und zu Minnesang-Inszenierungen traf. Der Burgherr und Mäzen, Christian Reichsfreiherr Truchsess von Wetzhausen, kultivierte dort aus privatem Interesse, aber auch aufgrund des von Napoleon erzwungenen Untergangs der alten Reichsordnung ein Wiederaufleben der Ritterthematik. Dort trug Rückert um 1812 auch die gegen den neuen Kaiser gerichteten Geharnischten Sonette vor. Bei seinen Besuchen traf er selbst im Landschaftspark mit seinen neuartigen Gartenstaffagen auf die Ritterthematik. Auch diese Gartendenkmale waren nicht der historischen Wirklichkeit, sondern der Fantasie verpflichtet. Das betraf generell auch die Kostümierung der Figuren in den Bildwelten, denn das „Mittelalter“ wurde damals weit gefasst: Germanen, Nibelungen und Staufer fielen ebenso darunter wie z.B. die Kunst des Raffael-Kreises, welche heute dem Stil der Renaissance zugeordnet wird.
Der Romaufenthalt 1817/18 eröffnete Rückert den eigentlichen Zugang zur aktuellen Malerei seiner Zeit – eine Kunst, die er sogleich begeistert lyrisch analysierte und in deren patriotisch-religiösen Idealen sich der junge Dichter wiederfand. Er verkehrte in den Kreisen der deutschsprachigen Künstler, insbesondere der Lukasbrüder, einer 1809 gegründeten Künstlergruppe, die als „Nazarener“ verspottet, Herz, Seele und Empfindung, Religion und Nationalität zu den Grundpfeilern ihrer Kunst erklärten. Ihre Vorbilder waren Raffael und Dürer, ihre Zukunftsvision gründete auf der Vergangenheit – auf einem idealisierten Mittelalter, einer Zeit verbindlicher Werte, christlicher und nationaler Stärke.
Schon kurz nach seiner Ankunft in Rom feierte Rückert im Kreis der Nazarener den Tag des heiligen Lukas. Als dann der bayerische Kronprinz Ludwig 1818 Rom besuchte und ihm die deutschen Künstler am 29. April ein Abschiedsfest in der Villa Schultheis ausrichteten, trug Rückert ein eigens hierfür verfasstes sechsteiliges Gedicht vor, in dem sich der Einfluss der Kunst der Nazarener auf seine Vorstellung der Malerei zeigt.
Von der Malergruppe der Nazarener – Johann Friedrich Overbeck, Peter Cornelius, Ferdinand Olivier, Franz Pforr, F. Wilhelm von Schadow, Josef Sutter, Ludwig Vogel u. a. – besitzt das Museum Georg Schäfer ebenfalls eine hochkarätige Sammlung und so können deren Meisterwerke den Gedichten Rückerts beigesellt werden.
In der Ausstellung soll es zudem gelingen, die Italien-Stimmungen und Erlebnisse Rückerts sinnlich nachvollziehbar zu machen. Der Betrachter kann dabei die Erkenntnis gewinnen, dass Poesie und Malerei der Romantik zwar in einem ambivalenten Verhältnis zueinander stehen und dennoch beim Betrachter/Leser einen symphonischen Gleichklang auslösen können.
Die Ausstellung zeigt ca. 50 Gemälde und ca. 50 Zeichnungen. Das Begleitprogramm umfasst ein im Foyer eigen gestaltetes Kindermuseum zum Thema „Ritter“ sowie Konzerte und Vorträge. Weiterhin findet ein Malwettbewerb "Mittelalterfantasien" statt.
Zur Ausstellung erscheint ein gebundenes Buch mit Versen von Friedrich Rückert und Bildern aus dem Museum Georg Schäfer, dazu zwei thematische Beiträge von Dr. Karin Rhein und Dr. Wolf Eiermann.
Idee: Wolf Eiermann
Ausführung : Wolf Eiermann, Karin Rhein
Johann Friedrich Overbeck: Italia und Germania,
um 1840/50, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt
Domenico Quaglio: Das Freiburger Münster,
nach 1830, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt
Joseph Rebell: Golf von Neapel,
1815, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt
Josef Jansen: Rheinlandschaft mit Burg,
um 1860, Museum Georg Schäfer, Schweinfurt
Die Ausstellung begleitet das Rückert-Jahr 2016 in Schweinfurt:
Kunsthalle Schweinfurt
Der Weltpoet: Friedrich Rückert (1788–1866)
8. April – 10. Juli 2016
Museum Otto Schäfer
Radierungen zu Rückerts Werken
Eine Ausstellung mit Arbeiten der Radierwerkstatt Schweinfurt
17. April – 14. Juli 2016